Interviews | Hellseatic Festival | Die Festivalsaison ist immer sehr spannend und abwechslungsreich. Von enorm kommerziellen Großveranstaltungen bis hin zu kleinen Undergroundfestivals ist von Mai bis September alles dabei. Seit dem letzten Jahr haben wir mit dem Hellseatic Festival ein spannendes, neues Festival in Norden der Republik, genauer in Bremen. In wenigen Wochen gibt es die zweite Auflage und das war Grund genug mich mit Mit-Organisator Ramin zusammenzusetzen und ein wenig über das Festival und dem entsprechenden Drumherum zu sinnieren.
Moin Ramin, stell Dich den Lesern doch bitte einmal kurz vor…
Ahoi Jens, ich bin 47 Jahre alt und wohne in Bremen. Hauptberuflich bin ich Sozialpädagoge und Mediengestalter. Mit dem Thema Musik beschäftige ich mich seit meiner frühen Jugend. Konzerte veranstalte ich seit 1996, allerdings nur als Hobby und nebenher. Ich bin selber auch in zwei Bremer Bands aktiv und in der Bremer Musiklandschaft fest verwurzelt. Zusätzlich versuche ich noch Kind und Kegel unter einen Hut zu bekommen. Und wenn ich mal abschalten möchte, bin ich auf Reisen.
Thema „Hellseatic Festival“. Wie kam es dazu, was war die Idee, wieso bist Du dabei – wie war der Beginn? Erzähl mal ein wenig aus dem Nähkästchen, erste Ideen – Gelände – Name etc.
Eigentlich war es eine Schnapsidee bei einer geselligen Kochrunde. Ein paar Jahre später wurde es dann konkreter. Am Ende ging es darum, etwas Größeres auf die Beine zu stellen und einige Veranstalter der härteren Klangart aus Bremen miteinander zu verbinden. Quasi ein Kollektiv von Bremern für die Bremer Metal-Szene. Für so ein Festival braucht man schon einige Personen, die sich in der Branche auskennen. Am Ende waren es 9 Personen, die das Projekt angepackt haben. Gelände, Festivalname, Konzept usw. wurde dann im Laufe der Zeit entwickelt. Natürlich waren oder sind wir nicht immer einer Meinung, aber darin liegt auch der Reiz und jeder kann was von dem anderen lernen. Als dann alles so weit eingetütet war, kam Covid und wir standen, wie viele andere, vor einem Haufen Probleme und Sorgen. Letztes Jahr haben wir es dann unter erschwerten Bedingungen durchgezogen. Den Kopf in den Sand zu stecken war keine Option für uns.
Was unterscheidet das Hellseatic von anderen Festivals?
Die Wollkämmerei bietet eine besondere Kulisse und versprüht eine tolle Atmosphäre. Wer nicht campen will , kann die gute Zugverbindung vor der Tür nutzen. Das Festival ist von Fans für Fans gemacht. Wir sind alles Festivalgänger und versuchen die besten Eindrücke, die wir über Jahre gesammelt haben, mit einzubauen. Ein musikalisch abwechslungsreiches Programm steht bei uns im Fokus. Auf der politischen Ebene sind wir auch nicht blind, eher achtsam. Für die Bremer Metal-Szene ist es ein riesen Klassentreffen, natürlich plus vielen anderen Metalheads, die unbeschwert feiern können.
Für wieviel Zuschauer ist das Festival allgemein ausgelegt?
Da sind wir etwas flexibel, weil wir ein recht großes Gelände haben und das Ganze ausweiten oder verkleinern können. Aktuell ist es auf 2500 Leute ausgelegt.
Wie zufrieden seid Ihr mit der ersten Ausgabe des Festivals gewesen – erzähl mal ein wenig – welche Bands waren da, wie war die Resonanz und das Feedback auch seitens der Band ein Bestandteil einer Festivalpremiere zu sein?
Wenn man bedenkt, dass wir einer der wenigen Festivals 2021 waren, die unter den schwierigen Umständen das Festival durchgezogen haben, können wir sehr stolz auf uns sein. Unter strengen Auflagen konnte sich das Publikum ohne Maske auf dem Gelände frei bewegen. Die Leute waren glücklich und unbeschwert unterwegs, das hat man in ihren Gesichtern gesehen. Auch die Bands waren ausgehungert und haben ihr Bestes gegeben. Die Bands standen zum Teil über ein ganzes Jahr nicht mehr auf der Bühne! Die Spielfreude war also nicht zu übersehen. Hinter den Kulissen sind wir an dem Freitag ganz schön ins Schwitzen gekommen. Wir, als Crew, mussten uns auch erst mal einspielen. Zum Glück hat das Publikum davon nichts mitbekommen. Der Samstag verlief dann schon wesentlich geschmeidiger. Sicherlich gab es einige Punkte, die wir hätten besser machen können, aber in Anbetracht der kurzen Zeit, können wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis sein. Viel Zuspruch kam auch im Backstagebereich von Bands, wie Space Chaser, Kadavar, Kavrila, The Hirsch Effekt usw. Anscheinend haben wir vieles gut gemacht und bei 800 Gästen konnten wir uns auch nicht beklagen. Kritik gab es natürlich auch an einigen Stellen, die wir versuchen dieses Jahr auszubügeln. Auf jeden Fall haben wir viel an Aufmerksamkeit und Respekt bei Bookern, der Presse und in den Sozialen Medien gewonnen.
Terminlich seid Ihr ja im Grunde am Ende der Saison – nach allen anderen Festivals und könnt somit nicht von „terminlichen Zwilllingsfestivals“ profitieren, bzw. sogar kooperieren und Bands hin- und her tauschen, wie es sehr viele andere Festivals machen und da sicherlich einige Vorteile von haben. Dieser „Nachteil“ mag Euch dann aber wiederum auch als Vorteil ausgelegt werden, weil ihr damit wirklich individuell und exklusiv seid. War es jemals ein Thema Euch terminlich so zu positionieren, dass zur gleichen Zeit noch andere Festivals sind und somit ein win-win entsteht ?
Die Antwort liegt schon in deiner Frage. Am Ende haben wir uns bewusst für den September entschieden. Uns war natürlich auch klar, dass wir dann nicht mehr so mit internationalen Bands jonglieren können. Auf der anderen Seite haben wir an dem Wochenende auch keine großartige Konkurrenz an Festivals. Eine Wettergarantie haben wir natürlich im September auch nie, wobei sich der Sommer ja mittlerweile nach hinten verschiebt. Wir haben uns also bewusst dafür entschieden.
Wie läuft der Prozess der Bandauswahl bei Euch? Kannst Du da ein paar Takte zu erzählen?
Dave und ich machen hauptsächlich das Booking. Jeder aus dem Team kann und darf Vorschläge abgeben. Bei den großen Bands entscheiden wir dann gemeinsam. Wir wollen auch immer Bands aus der Region mit einbauen. Am Ende muss man schauen, was für realistische Angebote reinkommen und ob die Bands zum Hellseatic passen. Die Geschmäcker sind unterschiedlich. Eine finale Entscheidung zu fällen ist nicht immer leicht. Das hängt auch von der Gage ab. Das muss alles immer passen und umsetzbar sein. Gerade bei Bands aus dem Ausland ist es nicht immer leicht. Eine Fly-in Show kommt in der Regel nicht in Frage. Am Ende kann man es nicht jedem recht machen und man muss auch mit Kritik umgehen können. Das Hellseatic hat noch nicht so einen großen Namen in der Branche, wo alle Bands uns die Türen einrennen - trotzdem sind über 300 Bewerbungen eingetrudelt und auch bekanntere Agenturen klopfen jetzt bei uns an. Ich denke dieses Jahr müssen wir uns nicht verstecken und haben einige Leckerbissen an Land gezogen. Der Prozess von der Anfrage bis zum unterschriebenen Vertrag ist ein langer und nicht immer einfacher Weg. Da spielen viele Faktoren eine Rolle.
Jetzt aber weiter zum diesjährigen Festival, der zweiten Ausgabe. Das Gelände ist gleichgeblieben, die Bands logischerweise anders – gibt es ansonsten irgendwelche Neuigkeiten, auf die wir uns freuen können?
Dieses Jahr werden wir noch eine zweite, kleinere Bühne aufbauen, wo wir experimentelle Bands spielen lassen werden. Ein Kontrastprogramm zur Hauptbühne. Es soll nach Möglichkeit keine Überschneidung geben. Wir haben dieses Jahr auch wesentlich mehr Geld für das Booking investiert, wie man anhand der Bands sehen kann. Ansonsten teilen wir mit dem Off the radar Team die Infrastruktur, dadurch auch Kosten und wer das Off the radar kennt, weiß auch das es in visueller Hinsicht eine Bereicherung geben wird. Eine Aftershow Party in der Halle mit DJ Jan Schwarzkamp von VISIONS rundet das diesjährige Festival am Samstag ab. Letztes Jahr stand alles noch auf wackeligem Boden. Dieses Jahr können wir gezielter Sachen einsetzen, weil wir mehr Sicherheit haben. Das fängt schon beim Essen auf dem Gelände an und hört bei diversen Nebenshowplätzen auf. Es wird auch ein paar Überraschungen geben.
Was sind aktuell die größten Hürden und die größten Probleme für Euch als Veranstalter? Ist es immer noch primär die Pandemie oder dann doch auch das aktuell defensive Kaufverhalten bei Tickets, mit welchem viele (kleinere und mittlere) Festivals und Clubkonzerte aktuell hart zu kämpfen haben?
Es gibt unglaublich viele Hürden, um so etwas auf die Beine zu stellen. Wir haben aktuell keine großen Sponsoren, die uns finanziell unterstützen. Ohne Zuschuss vom Staat wäre so ein Festival nicht tragbar. Die Förderung gibt uns nur die Sicherheit, dass wir am Ende die Kosten ausgleichen können. Keiner von uns geht mit einem gefüllten Portemonnaie nach Hause. Ohne Anträge zu schreiben, ohne die helfenden Hände ist es undenkbar, solch ein Festival auf die Beine zu stellen. Das (Kartenvorverkaufs-)verhalten der Fans ist auch bei uns ein großes Thema. Unsicherheit und die wirtschaftliche Lage spielt uns gerade nicht in die Karten. Würden alle im Vorfeld die Tickets kaufen, können wir ganz anders planen und agieren. Am Ende wird sich das Blatt aber wenden, man muss nur Geduld haben und optimistisch sein. Optimismus wird bei uns eh ganz groß geschrieben, sonst hätten wir uns schon gegenseitig die Haare ausgerissen :)
Gibt es für Dich als Veranstalter, aber ja auch als großer Musikfan, auch so etwas wie „Band XY würde ich unfassbar gerne bei uns haben, weil ich die schon seit Jahren abfeiere…“?
Ja klar, mit MOTORPSYCHO geht wie bei vielen von uns auch ein kleiner Herzenswunsch in Erfüllung. Mit so einem Festival klopft man automatisch auch bei größeren Bands an, die man ansonsten nie angeschrieben hätte. Natürlich muss man auch auf dem Boden der Tatsachen bleiben und realisieren, dass einige Bands schlicht weg für uns nicht bezahlbar sind. MESHUAGGAH, OPETH oder CLUTCH wären für mich persönlich noch Wunschkandidaten. Ich freue mich aber auch auf die "kleineren Bands" wie STAKE oder CRISIX usw.
Jetzt nochmal wieder ein wenig mehr Fokus auf die nächste Ausgabe am zweiten September-Wochenende. Erzähl ein wenig über die Bands – auf was kann sich der Besucher freuen? Das Billing ist jetzt schon sehr spannend und abwechslungsreich, wird es noch Überraschungen geben?
Letztes Jahr haben wir aus Gründen der Pandemie nur Bands aus dem Deutschen Raum gebucht. Dieses Jahr haben wir aus insgesamt 5 Ländern Bands am Start. Mit KONVENT und KABBALAH sind auch zwei Bands mit einer komplett weiblichen Besetzung dabei. Das Ganze wird schon mehr ein internationales Flair bekommen und etwas exotischer ausfallen. Es werden diesmal auch mehr Fans aus dem Ausland erwartet. Virtuell wird mehr fürs Auge geboten. Die zweite Bühne und die Visions Aftershow-Party bietet noch mehr Abwechslung. Ansonsten werden wir ein paar Überraschungen auf dem Gelände präsentieren, lasst euch also überraschen.
Nun noch ein paar Worte an die Leser und ggf. noch ein Rat, warum jeder bei Euch vorbeischauen sollte?
Weil es ein schöner Abschluss für die Open Air Festivalsaison ist und Bremen langjährig ein Metalfestival vor der Tür haben sollte. Ohne Publikum und ehrenamtliche Helfer, Supporter und euch funktioniert es nicht. Im Klartext, wir brauchen euch...erhebt euch. Vielen Dank an alle, die an uns glauben, die warmen Worte, Schulterklopfen und auch angebrachte Kritik.
Links: Hellseatic Festival
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